Vorgeschichte und Folgen des arischen Ahnenpasses: Zur Geschichte der Genealogie im 20. Jahrhundert. Arnshaugk 2013, 374 Seiten

Die folgenden Texte sind in diesem Buch in überarbeiteter und aktualisierter Form enthalten auf den Seiten 12 bis 90.


                                                                                                                                                                                                                                                 Genealogie 50. Jg. (2001)
Teil I: Das sogenannte Blutsbekenntnis, 417-436
  Teil II: Historische oder völkische Genealogie? 497-507
  Teil III: Die Machtergreifung der Viehzüchter 615-627

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Die Vorgeschichte des arischen Ahnenpasses

Teil II:

Historische oder völkische Genealogie?

Volkmar W e i s s

 

Familiengeschichtsforschung oder Sippenforschung?

Millionen Soldaten und Offizieren kehrten nach jahrelangem Kampf, dessen Ausgang viele nicht bereit waren, als unabänderlich hinzunehmen - darunter ein Hitler, ein Darré, ein Hohlfeld, ein Gauch, ein Koerner und andere in unserer Analyse namentlich Genannte - in ein Zivilleben zurück, das - nach ihren Erfahrungen - für sie zugleich die Vorbereitung für einen neuen Waffengang bedeuten mußte.  Nach Ansicht völkischer Kreise hatten die Sozialisten, Kommunisten und die mit ihnen in einem Atemzug genannten Juden am militärischen Zusammenbruch der Mittelmächte einen wesentlichen Anteil. „Es hat eine Bestrebung gegeben, die wichtige Rolle einfach außer acht zu lassen, die jüdische Intellektuelle in der SPD und KPD gespielt haben, und damit einen echten und sachlichen Grund für den steigenden Antisemitismus während und nach dem 1. Weltkrieg zu vernachlässingen. Viele Deutsche nahmen fälschlich an, daß die prominenten jüdischen Intellektuellen die politische Haltung der Mehrzahl der deutschen Juden widerspiegelten, und es war diese verbreitete Falschwahrnehmung, die sich für die jüdische Minderheit als politisch am gefährlichsten herausstellte. ... Die Unterstützung linken Gedankenguts durch jüdische Politiker und Intellektuelle war nicht einfach eine Erfindung der Nationalsozialisten, sondern eine Tatsache. ... Jüdische politische Führer wie Eduard Bernstein und Rosa Luxemburg waren außerordentlich aktiv. ... Die herausragende Rolle der Juden in der Revolution von 1918 und während der ersten Jahre der Weimarer Republik ist inbestreitbar und war eine sehr wichtige Ursache dafür, daß der Antisemitismus in den Nachkriegsjahren stärker wurde.“ [81]

In zwei Wellen kam es - in den ersten Jahren nach dem Kriege und in der Weltwirtschaftskrise ab 1929 - zu einer zunehmenden politischen Radikalisierung der Gesellschaft, die vor der Genealogie nicht Halt machte. Diejenigen, die vor 1914 für eine stärkere Rüstung, geistig und militärisch, eingetreten waren, darunter die Alldeutschen und Völkischen, sahen sich durch den Verlauf und Ausgang der Krieges in ihren Auffassungen bestärkt. So ist es nicht verwunderlich, daß ihr Einfluß unter den genealogisch Interessierten, die bis 1918 fast ausnahmslos zum nicht-sozialdemokratischen Lager gehört haben dürfte, wuchs. So dürfte es als ein Zeichen einer gewissen fraktionsübergreifenden Solidarisierung des nationalen Lagers gewertet werden, daß 1918 auf der 12. Hauptversammlung Bernhard Koerner in den Geschäftsführenden Ausschuß der Leipziger Zentralstelle gewählt wurde. (Er nahm aber niemals an einer Sitzung in Leipzig teil und wurde schon 1919 nicht wiedergewählt.)

Schon 1920 [82] begann aber zwischen Koerner und den führenden Männern der Leipziger Zentralstelle eine bittere und mehrere Jahre andauernde Polemik, die durch den von Koerner herausgegebenen 32. Band des „Deutschen Geschlechterbuches“ [83] ausgelöst wurde, das mit zwei Hakenkreuzen im Schmutztitel erschien, und in dessen Vorwort Koerner schrieb: „Unter den Männern, die in klarer Erkenntnis der kommenden Dinge schon vor Jahren zu bestimmten Fragen Stellung genommen haben, gehört der verstorbene Begründer und Führer des Deutschbundes Friedrich Lange. [84] ... Solange jüdische Gewalthaber, die Hirsch, Rosenfeld, Cohn, Kautsky, Eisner, Mühsam, Levin und wie sie alle hießen, Deutschland tyrannisieren konnten, war an ein Auf-sich-Besinnen der Weißen Rasse nicht zu denken. Viele von ihnen sympathisieren mit den jüdischen Massenschlächtern in Rußland .... Wir haben Behörden über Behörden bekommen ..., es fehlt aber ein Reichssippenamt. ... Arier aller Länder vereinigt Euch!“ Drei mit der Zentralstelle eng verbundene Personen, die zu diesem Band inhaltlich beigetragen haben, das Vorstandsmitglied Dr. Carl W. Naumann, Leipzig, Ernst Müller, Leipzig (der spätere Stadtarchivar), und Peter von Gebhardt (1888-1947), Berlin, hielten es daraufhin für angebracht, beim Verlag durchzusetzen, daß vorn in den Band ihre Erklärungen eingebunden werden, daß ihre Mitarbeit keine „politische Stellungnahme zur Hakenkreuz-Bewegung“ ist. Koerner antwortete auf seine Weise und empfahl, Mitgliedern des „Deutschen Roland“, „die jüdische oder farbige Bluts-Beimischung haben oder mit einer Frau solchen Blutes verheiratet sind, sollen ... auf die hiesige Ortsgruppe der Zentralstelle in Leipzig, die sie sicher gern aufnehmen werden, verwiesen werden.“ [85]

Als Heft 3 der „Flugschriften der Zentralstelle für Deutsche Personen- und Familiengeschichte“ erschien 1922 unter dem Titel „Von Neuester Heraldik und Genealogie“ eine scharfe Kritik der Koernerschen und Guido Listschen Gedankenwelt. Friedrich von Klocke hatte dafür Prof. Dr. Friedrich Philippi, Staatsarchivdirektor a. D. (Münster), den Bibliotheksdirektor Dr. Constantin Nörrenberg (Düsseldorf) und Dr. Adolf von den Velden (Weimar; zugleich Vorstandsmitglied der Leipziger Zentralstelle) als Mitarbeiter gewonnen. Klocke wendet sich gegen „die neue Lehre von der geheimnisvollen Herkunft der Wappen aus den Runen und ihrer geheimnisvollen Überlieferung duch Auserwählte geheimnisvoller ‘Armanen’-Geschlechter ... und der arisch-aramanischen Rassenfrage. ... Dr jur. Bernhard Koerners ‘Handbuch der Heroldskunst’ bedeutet in der Tat die Forführung des Deutungs-Werkes von Meister Guido List. ... Anstatt der angekündigten ‘streng wissenschaftlichen, tiefgründigen Forschungen’ ... nur Verführungskünste  eines ‘Wegweisers’ zum Unsinn und Aberwitz ... Aber auch der ‘Deutsche Roland, Verein für völkische Sippenkunde’ zu Berlin ... betreibt die fürchterliche Irreführung mit Eifer und Methode. ... Den Hütern der Genealogie als Wissenschaft vergeht das Lachen, wenn sie sehen, wie der Unsinn jeder Färbung um sich greift und, wo er eben kann, ihr redliches Bemühen zunichte macht.“

Dank dem Verlagsbuchhändler Degener, der sich - nicht ohne Widerstände in der Zentralstelle selbst [86] - weitsichtig und tatkräftig für eine solide Geschäftsgrundlage [87] eingesetzt hatte, war 1921 die Zentralstelle in einen Vertrag mit der Deutschen Bücherei eingebunden worden, [88] der ihr die bibliographische Leitfunktion für den deutschen Sprachraum sicherte und dadurch ihre Bedeutung sehr erhöhte. Die Mitgliederzahlen der Zentralstelle waren weiter gestiegen und es gab „Sonderzirkel“, d.h. Ortsgruppen, in mehreren deutschen Städten; mehrere Mitglieder der Zentralstelle waren zugleich führende Personen in anderen genealogischen Vereinen. Auf der 17. Jahreshauptversammlung der Zentralstelle war es der Vertreter des Sonderzirkels Magdeburg, Scharr [89] , der plötzlich mit einem eigenen Vorschlag für den Vorstand auftrat: Vorsitzender Dr. Wentscher - Berlin; stellvertr. Vors. Dr. Naumann - Leipzig; Schriftführer Dr. Hohlfeld - Leipzig; stellvertr. Schriftführer von Ehrenkrook - Magdeburg; Schatzmeister Spohr [90] - Leipzig; stellvertr. Schatzmeister Fabian - Halle. Wir zitieren aus dem Protokoll [91] : „Dr. Hohlfeld bittet um Begründung dieses vollständig neuen Vorschlags, da darin ein deutliches Mißtrauen gegen den alten Vorstand liege. Der Vorsitzende (Breymann) weist auf das satzungsgemäße Vorschlagsrecht des Aussschusses und auf die ‘Soll’-Vorschrift der Satzung hin, dass mindestens ein Drittel des alten Vorstandes wiederzuwählen ist. von Ehrenkrook verritt demgegenüber die unbedingte Autonomie der Hauptversammlung. ... Fabian begründet den Vorschlag der Ortsgruppen: den Vorzug der Kontinutiät habe die Zentralstelle lange genug genossen; es schmälere die Verdienste des langjährigen Vorstandes nicht, wenn jetzt ein radikal neuer gewählt werde. Eine in Magdebug stattgefundene Vorbesprechung habe sich auf Zweiteilung geeinigt, in der Weise, dass Leipzig die Hälfte der Vorstandssitze haben solle. Ausserhalb Leipzigs bestehe eine starke Erregung gegen die Art der Geschäftsführung und die Deckung, die dieselbe stets beim Vorstande gefunden habe. ... Grösster Wert werde von den  ... Antragstellern auf Dr. Wentscher gelegt. ... Der Antrag entspräche der Meinung weitester Kreise. ... Dr. Wentscher: Das Übergewicht Leipzigs solle eingedämmt werden. Richtunggebende Wünsche seien nicht beachtet worden. ... Dr. Hohlfeld und Dr. Naumann erklären, in einem nach Vorschlag Scharr zusammengesetzten Vorstand nicht mitwirken zu können. ... von Ehrenkrook: Vorstand müsse binnen zwei Minuten gewählt werden, da wegen Abreise der Hallenser Herren die von auswärts erschienenen Mitglieder sonst die Majorität verlieren würde. Die Wahl Wentschers, von Ehrenkrooks und Fabians müsse unbedingt gefordert werden.“ Für den Antrag der Sonderzirkel Berlin, Halle und Magdeburg „über die Vertretung auswärtiger Mitglieder durch Vollmachten in der Hauptversammlung“ spricht sich Wentscher aus, dagegen sehr entschieden der Schatzmeister Degener, da es „auf Stimmenfang hinauslaufe“. ...  „Im Verlaufe der Aussprache werden die inneren Verhältnisse, namentlich bei den Sonderzirkeln Düsseldorf und Magdeburg beleuchtet. Als besonderer Übelstand wird es es empfunden, dass an den Sitzungen der dortigen Sonderzirkel vielfach Nichtmitglieder der Zentralstelle regelmäßig teilnehmen.“ Nachdem es Breymann gelungen war, diese Versammlung, zum Ärgernis der angereisten auswärtigen Mitglieder,  bis eine Stunde vor Mitternacht ohne gültige neue Vorstandswahl auszudehnen, mußte für den 28.6.1922 eine neue Hauptversammlung einberufen werden, in der diesmal Machholz (Magdeburg) als Bevollmächtiger der Ortsgruppen Berlin und Mageburg auftritt, aber trotz Drohungen, „daß er berichten werde, was dann komme, wisse er nicht“, ohne Erfolg. Vergeblich schlägt er u.a. vor, Wasmannsdorf - Düsseldorf [92] in den Ausschuß zu wählen. Ein Dr. Korselt [93] wird erwähnt, mit dem sich in der Berliner Ortsgruppe „Streitigkeiten“ (im Protokoll gestrichen und durch „Unstimmigkeiten“ ersetzt) ergeben haben. Zum Schluß wird Breymann in einer Paketabstimmung als Vorsitzender wiedergewählt, und von den im Vorschlag Scharr einmal genannten Namen nur von Ehrenkrook in der relativ unwichtigen Stellung eines Beisitzers.

Wenn man das Protokoll durchliest, könnte man, da man mit keinem Satz etwas über die eigentlichen Beweggründe erfährt, den Eindruck gewinnen, es handele sich um nichts anderes als die übliche deutsche Vereinsmeierei. Nimmt man jedoch die Mitgliederliste des „Deutschen Roland“ [94] in die Hand, so entdeckt man, daß die Personen, die 1922 den Vorstand der Leipziger Zentralstelle stürzen wollten, Gefolgsleute von Koerner sind. Um diese Zeit war gerade das „Mageburger Geschlechterbuch“ als 39. Band des „Deutschen Geschlechterbuchs“ in Arbeit. Der Bearbeiter Ernst Machholz und Bernd Koerner danken Weihnachten 1922 im gemeinsamen Vorwort [95] „der wertvollen Hilfe des Herrn Regierungsassesor v. Ehrenkrook beim Ermitteln der zuständigen Wappen ... und Stud. d. Rechte Adalbert Scharr.“ Der Schriftsteller Dr. jur. Erich Wentscher (1892-1953) [96] steht mit Koerner als Bearbeiter des ersten Bandes des „Schlesischen Geschlechterbuches“ seit Jahren in Kontakt (gehört aber dem „Deutschen Roland“ nicht an). In einer Zeit sehr harter politischer Auseinandersetzungen wurde also auf der Doppel-Jahreshauptversammlung 1922 der Versuch gemacht, die Zentralstelle durch Unterwanderung umzudrehen und in das Fahrwasser der völkischen Sippenkunde zu ziehen, eine im politischen Kampf durchaus gängige Praxis.

Man darf davon ausgehen, daß derjenige, der dem „Deutschen Roland, Verein für deutsch-völkische Sippenkunde zu Berlin“ beigetreten war, nicht nur Kontakte zur Förderung seiner genealogischen Forschungen gesucht hat, denn die gab es auch bei der Zentralstelle und anderswo, sondern darüber hinaus sich über die politische Ausrichtung des Vereins „Deutscher Roland“ im klaren war und mit ihr zumindest teilweise sympathisiert hat, wenn auch in von Person zu Person unterschiedlichem Maße. [97] 1925 erschien in den Mitteilungen dieses Vereins ein grundsätzlicher Aufsatz über „Weg und Ziel“ [98] : „Ohne Zweifel nimmt der Deutsche Roland eine Sonderstellung unter den sippenkundlichen Vereinen in Deutschland ein, da er der einzige Verein dieser Art ist, welcher den Hauptwert auf eine gewisse Auswahl unter seinen Anhängern legt. Die besondere Bedeutung der ‘deutschen und arischen Abstammung’, die nun einmal Grundbedingung ist, scheint vielen ein Dorn im Auge zu sein. Der Deutsche Roland gilt daher für ‘antisemitisch’. ... Im Grunde tut der Roland hier nichts anderes, als was die Juden ... seit Jahrtausenden schon tun. ... Das wertvolle Blutserbe der Ahnen, die ererbten Eigenschaften und Anlagen werden meist außer Betracht gelassen. Gerade hierauf legt aber der Roland besonderen Wert. ... Eine Entwicklung läßt sich nicht aufhalten! ... Die Sippenforschung marschiert! ... Echter Adel ist im Blute begründet. Darum halte Dein germanisches Adelsblut rein. ... Lange bevor dieses uralte Zeichen im politischen Leben eine Rolle spielte, führte der Deutsche Roland das Hakenkreuz.“

Mit seinem Auftreten 1922 hatte der junge, bis dahin ziemlich unbeschriebene, Hohlfeld die Völkischen [99] erstmals enttäuscht. Über die Vorstandssitzung der Zentralstelle am 8.7.1924 protokollierte er: „Zur Judenfrage (Angriffe Koerner) soll eine spezialisierte Polemik vermieden werden. Dr. Wecken soll Mitteilung gemacht werden, daß eine Stellungnahme in unserem Organ zum Judentum als ganz außerhalb unsrer Aufgabe liegt.“ In seinem ersten Beitrag in einer Fachzeitschrift hatte er [100] , mit einem Blick auf den Koernerschen Verein, geschrieben: „In politisch erregten Zeiten verwischen sich leicht die Grenzen zwischen Wissenschaft und Politik, zum Schaden beider. Unklare, dilettantische Schwarmgeister, die sich nicht über die Grenzen und daher auch nicht über das Wesen der beiden Gebiete klar sind, sind eifrig am Werke, diese Grenzen zu vermischen und aus der Vermengung zweier streng gesonderter Aufgabengebiete einen Brei unklarer Schwärmerei zu machen, den sie dann ‘völkische Genealogie’ nennen. ... Man fordert die Ausschließung aller Juden und sonstigen Fremdrassigen aus den genealogischen Vereinen. ... Ich sehe in dieser Politisierung der Wissenschaft eine Barbarei. ... Vereine, die wissenschaftliche Genealogie treiben wollen, können Juden nicht von der Mitarbeit ausschließen. ... Ein Verein, der auf deutsch-völkischem Rassestandpunkt steht und demgemäß die Mitgliedschaft oder Mitarbeit fremdrassiger Forscher ablehnt, ist nicht mehr ein Verein für Familienkunde ..., sondern ein Verein für Rassepolitik.“ 

Der „schärfste Widerspruch“ ließ nicht auf sich warten: „Zunächst mag einmal festgestellt werden, daß Hohlfeld unter Fremdrassigen in erster Hinsicht und eigentlich allein die Juden versteht. ... Die Schriftleitung (Hornschuch) [101] ... treibt projüdische Propaganda. ... Herr Hornschuch hat mir die Anschrift des von Dr. Hohlfeld angegriffenen Vereins in Berlin, den dieser ‘einen kleinen, wissenschaftlich bedeutungslosen, aber politisch sehr regsamen Verein nennt’, nicht angegeben.“ [102]

Bernard Koerner war, wie viele der Mitglieder seines Vereins, in zahlreichen Vereinen, Organisationen und in politischen Parteien aktiv, die ein regelrechtes Netzwerk bildeten und in denen  das Jahr 1933 und die Machtergreifung der nationalsozialistischen Sammlungsbewegung geistig vorbereitet worden ist, auch wenn Koerner in den Zwanziger Jahren selbst keinesfalls Mitglied der NSDAP war, sondern Abgeordneter der Deutschvölkischen Freiheitspartei im preußischen Landtag. Koerner provozierte gezielt: Im 45. Band des Deutschen Geschlechterbuches druckte er vorn, sozusagen als Idealgestalt, ein Fotografie des blonden, sauber gescheitelten, Medizinstudenten Hermann Gauch, in Freikorpsuniform, mit Hakenkreuz am Stahlhelm, ab, der sich in dem von Gauch selbst bearbeiteten genealogischen Teil [103] ausweist als: „geb. 1899, ... 1917 Kriegsfreiwilliger, ... 1918 durch schwere Verwundung in französische Kriegsgefangenschaft, ... entkam 1919 durch die Flucht nach Deutschland, EK2, ... 1922 Mitglied des Vereins Germanenschule, des Bundes für rassig-germanische Siedelungen, der Germanischen Glaubensgemeinschaft, der Edda-Gesellschaft, der Guido-List-Gesellschaft, des ‘Deutschen Roland’ ..., des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes, des Ostara-Kreises u. a. germanisch-völkischer Verbänder, Freiwilliger der Sturmabteilung München der National-Sozialistischen deutschen Arbeiter-Partei, und in der Kampftruppe deutsch-völkischer Flieger und Kraftfahrer in der Ehrhardt-Brigade, ... Burschenschaft Rheno-Asgardia.“ Auch sein älterer Bruder Karl ist Freiwilliger der Ehrhardt-Brigade und „Schriftführer der Ortsgruppe Baden-Baden des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes“. Im Vorwort eben dieses 45. Bandes empfahl Koerner „vor allem das Buch von Dr. Hans Günther, Rassenkunde des deutschen Volkes, München, Verlag von I. F. Lehmann, 1922“ [104] , mit dem aus bescheidenen Anfängen erwachsene Nordische Bewegung [105] in Deutschland ihr breitenwirksamstes Buch erhielt. Auf den nächsten Seiten wurde eine Mustersatzung „der Vereinigung deutscher, rein-arischer Geschlechter“ abgedruckt. Von den Mitgliedern forderte Koerner: „Zum Eintritt ist an sich berechtigt jeder und jede Deutsche, die ihren Stammbaum des Mannesstammes bis 1650 vorlegen und nachweisen kann. ... sowie der Nachweis germanischer Abkunft bis zu den Urgroßeltern, möglichst durch Einreichung von Urkunden und Lichtbildern. ... Bei Verheiratung wird diese Bedingung in gleicher Weise auch von dem anderen Ehegatten verlangt.“

Koerner muß als Person im täglichen Umgang ein schwieriger Charakter gewesen sein. Sein missionarischer Eifer war so groß, daß es einigen in seinem eigenen Verein zu viel oder zu gefährlich  wurde. „In einem sippenkundlichen Verein will man ein paar Stündchen seiner Mußezeit, gerade befreit von dem widerlichen Parteikram des politischen Treibens, genießen“, schreibt am 8.2.1927 der 2. Schriftführer des Vereins, Regierungsrat Dr. Curt Drewitz, an Koerner und schlägt vor, das Wort „Völkisch“ aus der Vereinsbezeichnung zu streichen und nicht mehr das Hakenkreuz im Wappen zu führen. Der 1. Schriftführer, Freiherr Wipert von Lützow, fragt am 1.1.1927 Koerners Freund Antz: „Auch im Dt. Roland haben wir ja 1 Dutzend solcher spaßigen Phantasten, ... (andere) sind nicht weit davon. ...  Wollen Sie einen politischen Verein? Wollen Sie einen antisemitischen Verein? Wollen Sie einen anti-jesuitischen Verein? ... Wollen Sie einen genealogischen Verein? ... Wollen Sie einen Rassekundeverein? Wollen Sie einen Vererbungslehreverein? ... Wollen Sie einen Kampf- und Radauverein? Wollen Sie einen ario-? oder theosophischen Verein?... Ich glaube aber, es gibt in Deutschland schon 20000 andere Vereine, die 10 Tätigkeiten, wie oben ausführen.“ Es kommt schließlich dahin, daß Koerner am 28. 9. 1927 vom Vorstand des Deutschen Roland als Mitglied gestrichen wird. Er verfaßt eine 42-seitige, für alle Mitglieder bestimmte Denkschrift [106] , in der er zum Schluß darlegt, daß seine Streichung, da er Erster Vorsitzender des Vereins ist, nicht satzungsgemäß ist, und er setzt sich mit der notwendigen Unterstützung zahlreicher Mitglieder wieder durch. Koerner muß aus dem Konflikt aber auch etwas gelernt haben, denn bis 1932 bleiben seine Vorworte im „Deutschen Geschlechterbuch“ dann erst einmal ziemlich sachlich.

Die vereinfachende Sicht [107] , daß es aus den Reihen der Genealogen keinen Widerstand gegen die völkische Genealogie gegeben habe, ist nicht zutreffend, wenn auch nur wenige sich so ausdrücklich von Koerners oft provozierenden Vorworten des vielbändigen „Deutschen Geschlechterbuchs“ distanziert haben, wie Peter von Gebhardt 1920 mit seiner in den 36. Band vorn eingebundenen „Erklärung“. Bemerkenswert ist auch, daß ein in den „Familiengeschichtlichen Blättern“ 1925 von einem Carl Berkhan, der sich als „Verlagsbuchhändler in Stutttgart“ [108] bezeichnete, verfaßter „Aufruf zur Bildung eines Ringes völkischer Familienverbände“ keinen Widerhall gefunden hat. Daß dieser Aufruf in der Zeitschrift der Leipziger Zentralstelle überhaupt gedruckt worden ist, dürfte dem damaligen Schriftleiter Dr. Friedrich Wecken zuzuschreiben sein, der, obwohl er sich um 1920 auch persönlich mit Koerner angelegt hatte, wegen seines labilen Charakters immer mehr zu einem Risikofakor für die Zentralstelle wurde und in einen immer stärkeren Gegensatz zu dem durch seine solide Arbeit immer mehr an Einfluß gewinnenden Hohlfeld kommen muß. Wecken mußte dann am 11.3.1927 aus der Zentralstelle ausscheiden. [109] - Am 21.5.1927 wird der Verleger der „Zeitschrift für Volksaufartung und Erbkunde“, der Verlagsbuchhändler Metzler aus Berlin, auf der Sitzung des Vorstandes der Leipziger Zentralstelle vorstellig und schlägt vor, seine, mit staatlicher Unterstützung erscheinende Zeitschrift, mit den „Familiengeschichtlichen Blättern“ zusammenzulegen. Der Antrag wird vonseiten der Zentralstelle geprüft, ohne daß dazu Beschlüsse gefaßt werden.

Inwieweit der Geist von Koerners „Deutschem Roland“ in die regionalen Vereine ausgestrahlt hat, wird zu prüfen sein, denn das wird von Fall zu Fall sehr verschieden sind, ist aber noch wenig erforscht und kann nur eine Aufgabe der regionalen Vereine selbst sein. An dem einen Ende der fließenden Skala dürfte sich die 1927 gegründete „Arbeitsgemeinschaft Kurpfälzischer Sippenforscher“  (schon die Namensgebung ist Programm) befinden. Der Vorsitzende Dr. Adolf Stoll, der weiter vorn schon genannte Schriftführer Ehrhard Ludwig Antz und der Schatzmeiser Dr. Thomas Günther waren alle drei Mitglieder in Koerners Verein. [110] Zur späteren, 1933 gegründeten und von Stoll geleiteten, „Arbeitsgemeinschaft Pfälzischer Familienforscher“ gehörte dann auch der vorn schon erwähnte Dr. Hermann Gauch. [111] Das völkische Engagement schloß dabei solide handwerkliche familiengeschichtliche Forschung keineswegs aus.

In Koerners Mitgliederliste lesen wir z.B. auch den Namen Dr. Karl Förster (1873-1931), allen deutschen Genealogen bekannt als Begründer des Ahnenlistenumlaufs, der „Ahnenstammkartei des deutschen Volkes“ [112] und des Vereins „Deutsche Ahnengemeinschaft“ [113] . „Unser Werk wird manchen als eine Kleinkrämerei von Namen und Zahlen erscheinen. ... Aber wie unsere Ahnenstammkartei zwangsläufig zur Bestandsaufnahme deutscher Ahnen wird, steigen zwei Gedanken von krystallreiner Schönheit aus ihr hervor: der Tiefengedanke: die blutmäßig Einwurzelung des einzelnen Deutschen ...; der Breitengedanke: wir sind ein Volk, eine große deutsche Familie, durch Bande des Blutes miteinander verbunden. Und hier haben wir die Bildungsgrundlage für ein neues Deutschland gefunden.“ [114] Diese Vorahnung der kommenden Volksgemeinschaft veröffentlichte Förster im „Thüringer Heimatspiegel“, dessen Schriftleiter Walther Tröge sich besonders eifrig und erfolgreich bemühte, am Vorabend des Jahres 1933 verschiedene geistige Strömungen miteinander in Kontakt zu bringen. „Gedenke, daß du ein Deutscher bist! In dieser Richtung will recht aufgefaßte Familienforschung auch an ihrem Teil mithelfen, Aufbau und Wiederherstellung des deutschen Volkes im ganzen wieder herauzuführen,“ schreibt Tröge in der Rezension der gedruckten „Ahnentafeln berühmter Männer“ der Leipziger Zentralstelle. [115] Und aus dem Vortrag über „Heimat- und Familienforschung“ des aus Dithmarschen stammenden, in Weimar lebenden Adolf Bartels (1862-1945) [116] , „Literaturhistoriker und Vorkämpfer für den völkischen Gedanken“, berichtet er im Dezember 1932: „Familienforschung soll ja auch nicht betrieben werden aus Eitelkeit, sondern soll der Rasse dienen, Richtig betriebene Familienforschung ist in der Tat nichts anderes als ein Teil der Rassenforschung, Von der Rassenforschung ist es aber durch den richtigen Aufbau der Familie nur ein Schritt zur Rassenhygiene, zur Gestaltung einer kraftvollen Rasse. So hat Familienforschung nicht nur Bedeutung für den einzelnen, sondern für das ganze Volk. Der Vortrag wurde mit großem Beifall aufgenommen, und viele der Zuhörer werden Heimat- und Familienforschung, die ihnen bisher vielleicht als Spielerei erschienen, mit anderen Augen ansehen.“ [117]

Gemeinsam mit anderen Genealogen der Zentralstelle, die zugleich ausgewiesene Fachwissenschaftler waren, bemühte sich Hohlfeld, die Diskussion zu versachlichen. Ein bemerkenswerter Beitrag dazu sind die von ihm, gemeinsam mit R. Fetscher [118] und L. R. Grote herausgegebenen Vorträge der Abteilung XIIIb der 89. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte in Düsseldorf 1926 zu dem Rahmenthema „Zwischen Naturwissenschaft und Geschichte“ [119] : „Es wird immer wieder in dem einschlägigen Schrifttum darüber Klage geführt, daß der Begriff Rasse oder menschliche Rasse so vieldeutig gebraucht wird, und daß immer wieder Verwechselungen zwischen Rasse im engeren Sinne mit Sprachgemeinschaft, Kulturgemeinschaft, Volk, Nation oder auch geographischen Einheiten vorkommt. Im volkstümlichen Schrifttum ist auch fraglos die Verwirrung noch recht groß und immer wieder begegnen wir solchen Unmöglichkeiten wie etwa ‘slavische Rasse’, ‘der romanische Mensch’, ‘nordisches Volkstum’, ‘germanische Rasse’, ‘jüdische Rasse’ u.ä. ... Die Familienforschung hat die klar erkannte Aufgabe aus dem Vergangenen die Gegenwart, mindestens in Umrissen, ursächlich begreifbar zu machen. ... Aber die Unmöglichkeit den Kausalitätsgedanken vollkommen zu erfassen, hindert daran, der eigengesetzlichen Entwicklung feste Bahnen für kommende Zeiten vorauszusagen oder gar vorzuschreiben.“ [120] Dieser letzte Satz steht somit in einem klaren Gegensatz zu den Absichten eines Darré und Himmler, die wir im Schlußteil behandeln werden.

„Ein Abgrund, über den kein Verstehen mehr sich findet, scheidet  die von der Rasselehre Erfaßten von denen, die noch in den ‘alten’ Kategorien denken. Und wo die antisemitische Ausprägung der Rassentheorie Fuß gefaßt hat, da werden alle, auch die gewichtigsten Einwände, die die starre Ideologie erweichen könnten, in leidenschaftlicher Wut als ‘Verrat’ unbesehen verworfen. ... Es handelt  sich bei der Rassenforschung nicht um rein beschreibende Naturwissenschaft, nicht um einen Streit der Theorien, der von Gelehrten mit rein wissenschaftlichen Mitteln ausgefochten wird, sondern um Glaubensüberzeugungen, die eben mit dem ganzen Pathos des Glaubens angenommen oder verworfen werden“, heißt es in einer bemerkenswerten zeitgenössischen Kritik. [121]

Sehr zutreffend faßt der namentlich unbekannt gebliebene, aber sehr sachkundige Verfasser des „Deutschvölkischen Katechismus“ die Situation im Jahre 1931 [122] zusammen: „Auf dem genealogischen Gebiet gibt es heute in Deutschland zwei Richtungen. Die eine, historisch orientierte, erschöpft sich in der Sicherung des überlieferten Tatsachenmaterials, die andere glaubt, mit oder ohne Erforschung dieser Tatsachen Schlüsse ziehen zu können und Richtlinien aufstellen zu dürfen für die kommenden Geschlechter. Diese zweite Richtung, die völkische Ziele verfolgt, ... stellt die Genealogie in den Dienst der Aufnordung.“ Und speziell zur Leipziger Zentralstelle wird Peter von Gebhardt mit den Worten zitiert, „...daß sich die Erkenntnis durchsetzt, daß der völkische Radikalismus auch auf genealogischem Gebiete abzulehnen ist.“

 

Teil I: Das Blutsbekenntnis
Teil III: Die Machtergreifung der Viehzüchter


[81] Gordon, S.: Hitler, Germans and the „Jewish Question“. Princeton: Princeton University Press 1984, S.20ff.

[82] DZfG, alte Zentralstelle, Mappe 24: Vorstandssitzung 4.11.1920: „‘Roland’ Berlin - Absage der Mitgliedschaft - Streichung unserer Mitgliedschaft.“ - 13.2.1922: „Brief Dr. Koerners an Dr. Breymann und dessen Erwiderung wegen Waffenstillstand.“

[83] Görlitz: C. A. Starke 1920

[84] Lange, Friedrich. Reines Deutschtum. Grundzüge einer nationalen Weltanschauung. Berlin: H. Lüstenöder 1893. - Am 11.10.1892 hatte Lange in der „Täglichen Rundschau“ geschrieben: „Die Juden ... werden unsere Nachkommen  ...  ohne Unterschied des Glaubens ausgewiesen und vielleicht nach internationaler Einigung, die sich infolge der gleichen Noth in allen Staaten erzielen lassen wird, in Palästina oder Argentinien ... angesiedelt haben.“ In der ersten Satzung des 1894 gegründeten Deutschbundes hieß es: „Der Jude kann nicht Mitglied des Deutschbundes sein, noch auch durch Taufe werden.“ - Dazu auch: Herzl, Theodor: Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage. Leipzig und Wien: M. Breitensteins Verlags-Buchhandlung 1896.

[85] Mitteilungen des Deutschen Roland 14 (1921) 218.

[86] Degener handelte dabei als Verleger und Buchhändler der in der Zentralstelle entstandenen Werke nicht selbstlos. Das führte bei einigen Vorstandsmitgliedern zu dem Verdacht, daß sein Eigeninteresse zu groß wäre. Auf der Vorstandssitzung am 30.12.1918 wurde er in Abwesenheit als Schatzmeister der Zentralstelle abgesetzt, auf seinen Prostest hin - und zum Glück für die Zentralstelle - wurde dieser Beschluß aber bei der nächsten Sitzung wieder rückgängig gemacht. DZfG, alte Zentralstelle, Mappe 24.

[87] Degener, 10.5.1920, 3 Seiten als eine Art Denkschrift, eingebunden nach S. 136 in den Protokollband der Vorstandssitzungen. DZfG, alte Zentralstelle, Mappe 24.

[88] Hohlfeld, Johannes: Die Zentralstelle für Deutsche Personen- und Familiengeschichte und die Deutsche Bücherei.  Herold-Jahrbuch, N.F. 4 (1999), S. 73-78.

[89] Scharr, Adalbert: Ahnenliste der Geschwister Paula, Erwin und Adalbert Scharr. Bonn 1961. - Scharr (geb. 1902), 1923 Gründer des Würzburger Genealogischen Abends, 1926-29 Vorsitzender ds Halberstädter Genealogischen Abends, 1933-36 und 1944/45 tätig im Reichswirtschaftsministerium, 1961 Ministerialrat im Bundesministerium für Wirtschaft.

[90] Der Verlagsbuchhänder Oswald Spohr (1888-1970), der später den Degener-Verlag übernimmt, befand sich offensichtlich zu dieser Zeit in einem gewissen Konkurrenzverhältnis zu Degener und dessen Einfluß in der Zentralstelle.

[91] DZfG, alte Zentralstelle, Mappe 23, Niederschrift für die 17. Jahreshauptversammlung am 25.4.1922, S. 1ff.

[92] Waßmannsdorff, Erich, von 1933-1935 Stellvertreter des Leiters der Reichsstelle für Sippenforschung, deren Leitung er 1935 in einer persönlichen Begegnung mit Heinrich Himmler vergeblich anstrebte.

[93] Dr. jur. Korselt, Theodor (1891-hingerichtet 1943), eifriger Genealoge von regionaler Bedeutung für die Oberlausitz;  Regierungsrat im Innenministerium in Dresden; 1933 lehnte er den Eintritt in die NSDAP mit Hinweis auf das kirchen- und judenfeindliche Gebaren der Partei ab, als er 1943 öffentlich den Rücktritt des Führers und der Regierung forderte, wurde er vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt.

[94] Ich danke Herrn PD Dr. Uwe Puschner für den Hinweis, daß das Mitgliederverzeichnis des „Deutschen Roland“, in unserem Falle vom 1.6.1926, eine Art „Wer ist wer?“ der Völkischen ist. Dankbar bin ich  Herrn Puschner auch für die kritischen Anmerkungen,  die er an eine frühere Fassung der hier vorgelegten Arbeit angebracht hat, wenn ich ihm auch nicht in jedem Punkt gefolgt bin.

[95] Görlitz: C. A. Starke 1923, S. IX.

[96] Ab 1929 war Erich Wentscher dann Schriftleiter des „Archivs für Sippenforschung und aller verwandter Gebiete“, das im Verlag für Sippenforschung und Wappenkunde in Görlitz erschien.

[97] Wenn man die Genealogen, die in der Mitgliederliste des Deutschen Roland genannt sind und die nach 1950 in Vereinsvorständen oder als Autoren wieder aktiv sind, zusammenstellen würde, könnte man schon beeindruckt sein. Doch wäre das ein Thema für sich, ebenso die Realität der „Ahnenforschung“ in der Zeit von 1933 bis 1945.

[98] Antz, Eduard: Weg und Ziel. Mitteilungen des Deutschen Roland Heft 29 (1925) 583-589.

[99] Diese Auseinandersetzungen konnten einen Hohlfeld nicht davon abhalten, in den folgenden Jahren gute und sachliche Arbeiten von Machholz und anderen, 1921 am „Aufstandsversuch“ Beteiligten, in den Schriftenreihen der Zentralstelle zu drucken.

[100] Hohlfeld, Johannes: Genealogie als Wissenschaft und Politik. Zeitschrift für kulturgeschichtliche und biologische Familienkunde 1 (1924) 195-196.  - Es ist für die Geschichte der deutschen Genealogie und ihr Selbstverständnis sehr bemerkenswert, daß Koerner und der „Deutsche Roland“ vor 1933 jahrzehntelang betonen können und müssen, daß sie der einzige ausgesprochen völkische Verein seien. Denn damit wird den genealogischen Vereinen eine liberale Grundhaltung bescheinigt, wie sie ansonsten in breiten Bereichen des akademischen Lebens schon lange gefährdet war.

[101] Der hier angegriffene Herausgeber, Willy Hornschuch, der Hohlfelds Polemik gedruckt hatte, verbreitete gleichzeitig (auf S. 165, 1924) ) in seiner Zeitschrift einen Aufruf für „eine journalistische Preisstiftung zur Bekämpfung des Rassenhasses“. Zu diesem Zweck hatte der Miteigentümer des „Neuen Wiener Journals“, J. Lippowitz, dem dortigen Journalisten- und Schriftstellerverein „Concordia“ den Betrag von 110 Millionen Kronen übergeben. 

[102] Hederich, Reinhard: Sippenforschung als Wissenschaft und Politik. Mitteilungen des Deutschen Roland H. 18 (1925) 574-576.

[103] Görlitz: C. A. Starke 1924, S. 151f. - Zu Hermann Gauch, der später der Kulturpolitische Adjutant Heinrich Himmlers wird, siehe ferner:  Gauch, Sigfrid: Stammreihen Gauch. Deutsches Familienarchiv 65 (1976) 193-229; und: Gauch, Sigfrid: Vaterspuren. Frankfurt/M.: Brandes und Apsel 1996.

[104] Kunicki, Wojciech: Der Verlag J. F. Lehmann (München) und seine Rolle im Verbreitungsprozeß der völkisch-rassenästhetischen Ideologien. In: Hartung, Günter und Hubert Orlowski (Hrsg.): Traditionen und Traditionssuche des deutschen Faschismus. Wissenschaftliche Beiräge Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 1987/30, S. 101-117.

[105] Lutzhöft, Hans Jürgen: Der nordische Gedanke in Deutschland. Stuttgart: E. Klett 1971 (= Kieler Historische Studien 14).

[106] Denkschrift über die Entwicklung des „Deutschen Roland“, Vereins für deutsch-völkische Sippenkunde zu Berlin, e.V., innerhalb der letzten drei Jahre, von dessen derzeitigem erstem Vorsitzenden Dr. jur. Bernhard Koerner, Oberregierungsrat, Mitglied des Preuß. Landtags. 1927. - Die Zitate in diesem Abschnitte sind dieser Denkschrift entnommen.

[107] Grolle, Joist: „Deutsches Geschlechterbuch“. Ahnenkult und Rassenwahn. Zeitschrift für Niederdeutsche Familienkunde 74 (1999) 311-326.

[108] Von Carl Berkhan ließ sich in der Literatur nur eine Notiz über die „Vererbung des Familientypus“ in Familiengeschichtliche Blätter 17 (1919) 165-166 (Schriftleiter der Blätter zu dieser Zeit F. Wecken) finden: „Angesichts der Wichtigkeit ... der Erhaltung des Rassetypus für unsere Weltgeltung habe ich in der Geschichte meiner Familie ... auch die äußeren Rassemerkmale der Familienglieder festzuhalten versucht, auch rückgreifend auf ältere Geschlechterreihen, soweit das nach Bildern und Beschreibungen möglich: Farbe der Haut, des Haares, der Augen, Form der Nase, ganze äußere Erscheinung. ... Wir haben allen Grund für die Erhaltung des reinen Germanen, des heutigen Vertreters der lichten Rasse, in Deutschland zu wirken, wenn wir nicht aus der Reihe der Kulturstaaten verschwinden wollen.“

[109] Wie schwierig das persönliche Verhältnis zwischen Hohlfeld und Wecken war, belegt ein Brief von Hohlfeld an den Verein „Roland“ in Dresden vom 19.5.1938, als Wecken nach seiner Übersiedlung nach Dresden versuchte, die Leitung des „Roland“ zu übernehmen: „Die Methode, ständig Vorschüsse zu nehmen, ohne etwas dafür zu leisten, hat dann Wecken auch nach 1924 weiter befolgt, sodass gegen ihn bei der Staatsanwaltschaft Leipzig eine ganze Reihe Strafanzeigen erfolgten. ... Wecken war nach 1933 kurze Zeit politisch tätig. ... Seine bekannte Agitation gegen die Zentralstelle verfolgt offenkundig den Zweck, seine schwere Schuld gegenüber der Zentralstelle durch Angriffe zu verdecken. ... Es muss auch darauf hingewiesen werden, dass das Taschenbuch für Familiengeschichtsforschung ursprünglich eine, von ihm nicht allein im Dienste der Zentralstelle ausgeführte Arbeit war, die nur durch sehr merkwürdige Vorgänge aus dem Urheber- und Verlagsrecht der Zentralstelle herausgebracht wurde und später durch eine sehr angreifbare Reklame als seine persönliche Leistung hingestellt worden ist. ... Herr Wecken ist während seiner früheren Tätigkeit wohl mit allen nahmhaften Forschern ... in Folge seines streitsüchtigen Charakters in schwerste Konflikte geraten.“ DZfG, Roland-Archiv. - 1940 war Wecken dann hauptamtlicher Gaustellenleiter für Sippenforschung im Rassenpolitischen Amt der Gauleitung der NSDAP in Dresden.

[110] Poller, Oskar und Rudolf  H. Böttcher: Die Arbeitsgemeinschaft Kurpfälzischer Sippenforscher. Pfälzisch-Rheinische Familienkunde 49 (2000) 329-331.

[111] Paul, Roland: Familienforschung in der Pfalz im Dritten Reich. Pfälzisch-Rheinische Familienkunde 49 (2000) 335-339.

[112] Hammer, Ingrid und Volkmar Weiss: Die Sammlung Ahnenlisten in der Deutschen Zentralstelle für Genealogie in Leipzig. Genealogie 42. Jg. (1993) 490-499.

[113]   Radtke, Klaus-Günter, Münchow, Katja und Christian Eichhorn: Deutsche Ahnenlisten und ihre regionale Verteilung. Gesamtausdruck zur Klassifizierung und Regionalisierung der Ahnenlisten-Sammlung der Deutschen Zentralstelle für Genealogie in Leipzig. Leipzig 1995 (= Schriften der Deutschen Zentralstelle für Genealogie 13). - Zugleich enthalten auf der CD 1 des Verlages Degener.

[114] Förster, Karl: Deutsche Ahnengemeinschaft (DA). Ein Aufruf. Thüringer Heimatspiegel. Monatsblätter für Heimatkultur und vaterländisches Denken 8 (1931) 226-228.

[115] Tröge, Walther: Ahnentafeln berühmter Männer. Thüringer Heimatspiegel. Monatsblätter für Heimatkultur und vaterländisches Denken 8 (1931) 157-159.

[116] Bartels, Adolf: Rasse und Volkstum. Weimar: A. Duncker 1920. - Bartels wurde nicht nur von den Artamanen als Vordenker angesehen, sondern er forderte schon 1908, laut S. 158 im Abschnitt „Rassenzucht“ des eben genannen Titels, daß „die Juden bestimmte, ihnen zugewiesene Namen führen“ müßten.

[117] Tröge, Walther: Adolf Bartels-Weimar über Familien- und Rasseforschung. Thüringer Heimatspiegel. Monatsblätter für Heimatkultur und vaterländisches Denken 9 (1932) 364-365. - Ähnlich argumentiert z.B. auch: Ilies, Konrad: Durch Familienforschung zur völkischen Besinnung. Zeitschrift für Niedersächsische Familienkunde 16 (1934) 1-6.

[118] Prof. Dr. Fetscher, Rainer (1895- nach einer Widerstandsaktion, mit der er bei Kriegsende eine Brückensprengung in Dresden verhindern wollte, von deutscher Seite 1945 standrechtlich erschossen).

[119]   Diese Veranstaltung wurde auch in den regionalen Vereinen wahrgenommen und kritisch diskutiert, z.B.: Holthusen, Paul: Zwischen Naturwissenschaft und Geschichte. Altpreußische Geschlechterkunde 3 (1929) 47-53.

[120] Grote, L. R.: Die Beziehungen der Familienforschung zur Rassenlehre. Mitteilungen der Zentralstelle für Deutsche Personen- und Familiengeschichte 36 (1928) 24-38.  -  Prof. Dr. Grote, Louis Radcliff (1886-1960), siehe: Deutsche Biographische Enzyklopädie. München: K. G. Saur 1996, Bd. 4., S. 200.

[121] Eckstein, Richard: Rassenforschung, Rassenglaube, Rassenlegende. Zeitenwende 4 (1928) 289-299.

[122] Von einem deutschen Hochschullehrer: Deutschvölkischer Katechismus. Heft 2: Völkische Organisationen. Parteien, Vereine, Verbände, Orden. Leipzig: E. Oldenburg 1931, hier S. 164ff.

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