Neu: Vorgeschichte und Folgen des arischen Ahnenpasses: Zur Geschichte der Genealogie im 20. Jahrhundert. Arnshaugk 2013, 374 Seiten

Die folgenden Texte sind in diesem Buch in überarbeiteter und aktualisierter Form enthalten auf den Seiten 12 bis 90.

   

Genealogie 50. Jg. (2001) Teil I: Das sogenannte Blutsbekenntnis, 417-436
  Teil II: Historische oder völkische Genealogie? 497-507
  Teil III: Die Machtergreifung der Viehzüchter 615-627

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Die Vorgeschichte des arischen Ahnenpasses

Teil I:

Das sogenannte Blutsbekenntnis

 

Volkmar W e i s s

 

Bereits am 7.4.1933 erließ der Reichsminister des Innern Wilhelm Frick (1877-hingerichtet 1946) der von Hitler geführten Koalitionsregierung das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ [1] . Der von diesem Gesetz geforderte „arische Abstammungsnachweis“ bis 1800 zurück machte die Genealogie zu einem Politikum von existenzieller Bedeutung für den betroffenen Einzelnen und zentraler für die Gesellschaft. Höhere Dienstränge der SS hatten sogar den „großen Abstammungsnachweis“ zurück bis 1750 zu erbringen. Für die Genealogen selbst brachten die geforderten Abstammungsnachweise zweifellos einen in dieser Art einmaligen Beschäftigungsschub und ein staatlich gefördertes, steigendes Interesse an Familiengeschichte, das - noch dazu in einer wirtschaftlichen Krisensituation - dazu geeignet war, kritische Fragen von ihrer Seite [2] erst einmal an die zweite Stelle zu stellen.  Stark gefördert wurde das Interesse an Familiengeschichte auch durch das „Reichserbhofgesetz“ vom 29.9.1933 [3] , mit dem das Anerbenrecht geregelt, bäuerlicher Besitz in der Größen von 7,5 bis 125 gesichert und Familientradition geehrt werden sollte. Daß beide Gesetze [4] so rasch und unmittelbar nach der nationalsozialistischen Machtergreifung erlassen werden konnten, läßt darauf schließen, daß ihr geistiger Gehalt bereits vor 1933 vorgeformt worden war. 

Angesichts der politischen Bedeutung, der die Genealogie im Zeitraum 1933 bis 1945 zukam, ist es erstaunlich, daß das Thema von Fachhistorikern lange übersehen worden ist, ehe vor kurzem eine Arbeit [5] erschienen ist, die für jede weiterführende Betrachtung den Rahmen setzt. Ein Grund für die lange Nicht-Beachtung mag sein, daß die historische Aufarbeitung dieser Zeit oft bei der Person Adolf Hitler ansetzt. Hitler aber, der ein erklärter Gegner von Vetternwirtschaft war, hat sich für seine eigene Ahnenliste [6] wenig interessiert und - im Unterschied zu Himmler - das Reichssippenamt [7] oder die Ahnenstammkartei niemals persönlich besucht. Zu tieferen Einsichten gelangt man erst, wenn man die Aufmerksamkeit auf die beiden Diplom-Landwirte Richard Walther Darré [8] (1895-1953) und Heinrich Himmler [9] (1900-1945) richtet und ihre Rolle in der Führungsspitze der Nationalsozialisten.

Wenn man die Frage stellt, warum die Genealogen selbst nach 1945 so wenig zur Aufhellung ihrer eigenen Geschichte beigetragen haben, so wird man wahrscheinlich zu der Erklärung gelangen, daß wohl alle in den Fünfziger Jahren führenden deutschen Genealogen ihr Handwerk bereits vor 1945 gelernt haben und - ungeachtet, ob in zustimmender Begeisterung oder kritischer Grundhaltung - irgendwann einmal ihre Briefe mit „Heil Hitler“ unterzeichnet haben bzw. unterzeichnen mußten. Erst eine spätere Generation hat den notwendigen historischen Abstand.

Über die geistigen Ausgangspunkte der im Nationalsozialismus sich teils bündelnden, teils davon abweichenden Strömungen gibt es, auch aus der Sicht unmittelbar angrenzender Fachgebiete, wie etwa der Humangenetik [10] und der Bevölkerungswissenschaft [11] , eine stattliche Zahl von gehaltvollen Arbeiten [12] , deren Hauptergebnisse wir an dieser Stelle nicht noch einmal zusammentragen und wiederholen brauchen. Es geht uns im folgenden um den spezifischen Beitrag der Genealogie.

 

Das deutsche Bürgertum und seine Konkurrenten

Die Feststellung, daß bis weit ins 19. Jh. die Genealogie sich hauptsächlich mit der Genealogie des Adels befaßte, ist fast schon ein Allgemeinplatz. Mit der Ablösung der Ständegesellschaft durch eine bürgerliche Leistungsgesellschaft entstanden auch die Voraussetzungen für eine bürgerliche Genealogie. Bereits die ersten Lehrbücher und Einführungen dazu, so z.B. die von dem Breslauer Schulrektor Bruno Leuschner aus dem Jahre 1897 [13] , enthalten einen Ahnentafel-Vordruck, wie wir ihn dann 1933 im „arischen“ Ahnenpaß wiederfinden (1897 nur ohne amtlichen Beglaubigungsvermerk). „Das warme Gefühl für die Geschichte des Vaterhauses ist zugleich der fruchtbarste Boden für die Vaterlandsliebe“, meinte Leuschner (1905 dann Mitglied der Leipziger Zentralstelle). [14]

Da den schon bestehenden Vereinen für Familienforschung, „Herold“ in Berlin und „Adler“ in Wien, der Vorwurf gemacht wurde, daß sie „die Bürgerlichen vernachlässigen und den Adel bevorzugen“, trat am 28.11.1901 der Gymnasialprofessor Dr. Hermann Unbescheid (1847-1915) in Dresden an Dr. Bernhard Koerner (1875-1952) in Berlin mit der Bitte heran, „einen Aufruf zur Gründung eines Vereins mitzuzeichnen, der vor allem sich der Erforschung der alten Bürgergeschlechter annehmen sollte.“ Am 15.12.1902 wurde auf diese Weise der Dresdener „Roland“ gegründet, der schon Anfang 1904 430 Mitglieder zählte. In rascher Folge entstanden Ortsgruppen in Leipzig, Magdeburg, Hamburg, Potsdam, Nürnberg und am 21.12.1904 auch in Berlin.

 „Durch Beschluß vom 4. Lenzing 1913 machte sich die Ortsgruppe Berlin ... selbständig und nahm den Namen ‘Deutscher Roland, Verein für deutsch=völkische Stammkunde zu Berlin’ an. ... Vorsitzender wurde Dr. Koerner; sein Vertreter Herr Gelder schied freiwillig aus, nachdem er sich mit einer Dame polnischen Namens verheiratet hatte. ... Schon unter seinem ersten Leiter Dr. Klemm 1904, ebenso unter dessen Nachfolger Baurat Köhne hatte der Berliner Kreis einen ausgesprochenen völkischen Charakter. Juden wurden grundsätzlich nicht aufgenommen, später wurde auch das Blutsbekenntnis, das jeden jüdischen oder farbigen Blutseinschlag ausschloß, eingeführt. ... Auf den ‘Deutschen Tagen’ der deutsch-völkischen Verbände ... war der ‘Deutsche Roland’ als ausgesprochen deutsch=völkischer Verein durch seinen Vorsitzenden amtlich vertreten.“ [15]

Koerner war selbst hin- und hergerissen zwischen der Bewunderung und der Verachtung des alten Adels. Er übernahm die Herausgabe des „Genealogischen Handbuchs Bürgerlicher Familien“ (von dem jährlich ein Band erscheint) und schon sein Vorwort im ersten von ihm edierten Band 1902 [16] war als Kampfansage eines bürgerlichen Leistungsträgers zu verstehen: „Mit der Bezeichnung ‘Aristokratie’ ist die Vorstellung verknüpft, daß es eine Vererbung von Vorzügen der Väter auf die Kinder gäbe. Diese Vorzüge können nur solche ... der Begabung sein: materielle Vorteile können nur zur Ausbildung des Einzelnen sowie, wenn sie sich vererben, der Geschlechter beitragen. ... Nicht nur ein Krupp, ein Borsig, sondern auch Minister, Beamte und Militärs bedurften nicht des ‘Adels’, um sich die von ihnen eingenommene soziale Stellung zu schaffen.“

Das ist aber nur die eine Seite der Koernerschen Persönlichkeit, die geistige Schlüsselstellung seiner anderen Seite wird uns aus einigen Sätzen deutlich, die wir bei Guido List (1848-1919) nachlesen können, einem Mann, der seinerseits mit dem mit ihm zusammenarbeitenden Adolf Lanz (1874-1955) von den Fachleuten [17] als ein Ausgangspunkt nationalsozialistischen Gedankenguts angesehen wird: „Wie wir Ario=Germanen als Deutsche wieder die Sippe aufzurichten vermögen, das hat uns ein moderner Armane, Regierungsrat Dr. jur. Koerner in Berlin - dem wir darum hoch zu Dank verpflichtet sind - in erfahrungsgewandter Weise gezeigt, in der sein ‘Genealogisches Handbuch Bürgerlicher Familien als ein Deutsches Geschlechterbuch’ neben die bekannten ‘Gothaischen Jahrbücher’ (adeliger Geschlechter)  aufstellte. ... Mit ungewöhnlichem Fleiß, großem Geschick und wohlbegründeten Fachwissen hat er die Familiengeschichte und Familienausbreitung einer großen Zahl deutscher Bürgerlicher Familien sichergestellt und so den Grundstein für eine erneute Sippenkunde gelegt, aus welcher hoffentlich recht bald sich eine erneute kraftbewußte Sippengliederung herauskristallisieren wird, um den ario=germanischen Adel der Zukunft daraus zu gebären, der nichts mehr und nichts weniger sein soll als die wiedergeborene ario=germanische=deutsche Edelrasse der Herrenmenschheit.“ [18] Für List stellt „die Sippe der Herrenmenschheit“ die „zweite Ebene der Gauverfassung“ dar, mit der „Jesuiten, plutokratisches Judentum“ und die „Eine Große Internationale Partei“ durch „strengst gehaltene Fremdengesetze“ hintenanzuhalten seien. Nur wenige wollten zu dieser Zeit glauben, daß eine solche Terminologie Geschichte machen könnte.

 

Ein anderer Kristallisationspunkt einer bürgerlichen Genealogie war Leipzig, wo der Kaufmann Johann Ültzen-Barkhausen am 17.11.1902 im Anschluß an eine Versammlung der „Deutschen Gesellschaft zur Erforschung vaterländischer Geschichte und Altertümer zu Leipzig“ einigen Mitgliedern dieser Gesellschaft einen Entwurf [19] für einen „Aufruf an alle Genealogen Deutschlands“ zur Gründung einer Zentralstelle vorlegte. Bei mehreren etablierten Personen erntete er dafür ein mitleidiges Lächeln. Der stellvertretende Vorsitzende, Prof. Dr. Gerhard Seeliger (geb. 1860) „hält die ganze Sache für durchaus undurchführbar“. Und bei dem Stadtbibliothekar Prof. Dr. Gustav Wustmann (geb. 1844) „stößt jedes Streben für Familienforschung sehr auf Abneigung. Er habe es bereits durchgesetzt, dass der Bürgermeister zugegeben, dass derartige - den Archivar auf’s höchste belästigende - Anfragen überhaupt nicht mehr beantwortet würden. Auch sei ... diese Bewegung für Familien- und Stammbaumforschung heute viel zu sehr schon ausgebreitet.“ Dessenungeachtet trafen sich am 30.11.1902 erstmals Ueltzen-Barkhausen, die Historiker Prof. Dr. Erich Brandenburg (1868-1946) und Dr. Armin Tille (1870-1941) [20] , der Rechtsanwalt Dr. Hans Breymann (1873-1958) und der Kaufmann Arthur Dimpfel und begannen, einen Aufruf zur Gründung und die „Satzungen des Vereins zur Begründung und Erhaltung einer Centralstelle für deutsche Personen- und Familiengeschichte“ zu entwerfen. Am 16.2.1904 fand die Gründungsversammlung statt.

Sowohl der Gründungsaufruf als auch die ersten Geschäftsjahre dieser Zentralstelle waren weitgehend unpolitisch. Es überwogen technische Probleme der Zettelkataloggestaltung und der Beschaffung von Raum und Geld. Inwieweit politische Absichten der in den Anfangsjahren besonders aktiven Personen eine Rolle für ihr Engagement in der Familienforschung gespielt haben können, kann nur eine noch ausstehende Analyse der politischen und gesellschaftlichen Verbindungen dieses Führungskreises zeigen. Aber selbst für Tille, dem in einer Dissertation [21] bescheinigt wird, daß er sich nach 1907 in Dresden als Vorstandsmitgleid des Alldeutschen Verbandes „als konsequenter Verfechter des rücksichtslosen völkisch-rassistischen Kurses der Verbandsführung“ erwiesen hätte, können für seine Tätigkeit in der Zentralstelle keine vordergründigen politischen Absichten nachgewiesen werden. Z.B. sind seine Beiträge im 2. Mitteilungsheft der Zentralstelle (1906)  über „Genealogische Quellen“ (S. 41-64) und „Leipziger Leichenpredigten“ (S. 65-127) mit der Sachlichkeit und Seriösität geschrieben, die ihm auch für sein späteres Berufsleben bescheinigt wird. Zweifellos stand der Führungskreis der Zentralstelle im bürgerlichen Lager und bestand aus Personen, die mit wachen Augen das politische Geschehen verfolgten. „Nach dem jetzt tobenden unruhigen Zeiten der Reichstagswahl (heute Stichwahl zwischen Hasse und Motteler) sollen die Tagespresse und andere Vereinsorgange mobil gemacht werden“, notierte z.B. Ültzen-Barkhausen am 23.6.1903. Der Reichstagsabgeordnete Prof. Dr. Ernst Hasse (1846-1908) [22] , von 1893-1908 Vorsitzender des Alldeutschen Verbandes [23] im gesamten Reich, war denn auch die auffälligste Persönlichkeit im ersten Mitgliederverzeichnis der Zentralstelle aus dem Jahre 1905, das unter 243  Personen 34 Adlige aufführt.

„Die Regeneration kann gewaltig unterstützt werden, wenn sich das Deutschtum wieder auf den Wert des Familienhaften besinnt, wenn es wieder erkennt, daß der Mensch nicht ein Wesen aus sich selbst, sondern körperlich und seelisch das Ergebnis einer langen vorausgegangen Geschlechterreihe, ebenso wie er wieder ... seine beste Wesenheit vererben soll. An diesem Erkenntnispunkt wird die Familienforschung und Familienpflege zu einem sehr bedeutsamen völkischen Wert“, stellte Philipp Stauff (1876-1923) 1912 fest, und er führte in seinem „Deutschen Wehrbuch“ [24] , einer Art Nachschlagewerk für völkische Organisationen, auch den  „Roland“ und die Leipziger Zentralstelle auf und weist „besonders auf Reg.=Rat. Dr. Bernhard Koerners ‘Genealogische Handbücher bürgerlicher Familien“ hin. Die Leipziger Zentralstelle hat also nach Meinung von Stauff [25] diese Erwähnung im Wehrbuch nicht durch ihre besonderen Aktiväten verdient, sondern allein schon durch ihren sachlichen Auftrag. Im „Semigotha“ [26] (im Titel vorn mit Hakenkreuz) geht man noch weiter: „Schon gibt es in Deutschland große Verbände, deren Ideal die germanische Rassereinheit ist. ... Im besonderen  wachsen die Mißachtung jenes Adels, der aus materiell egoistischen Motiven Verbindungen mit der moderenen Judeokratie eingeht. ... Da aber in bezug auf diese Dinge ... eine große Verwirrung herrscht, so hat man wohl das noch zu schaffende Amt eines ‘Genealogen-Beirates des Staatsoberhauptes’ für das wichtigste Staatsamt erklärt.“

Eine junge Generation, die in einem Land aufgewachsen ist, in dem seit Jahrzehnten der Krieg nicht mehr als Mittel gilt, die nationalen Interessen zu schützen oder durchzusetzen, kann dazu neigen, die politische Situation der Jahre vor 1914 völlig zu verkennen, und z.B. schon allein aus der Mitgliedschaft von Hasse und Tille in der Zentralstelle den Schluß ziehen, daß hier der geistige Weg für die Jahre 1933 und 1942 vorbereitet wurde. Rüstung und Wehrbereitschaft für den nächsten Krieg war jedoch um 1900 für alle europäischen Staaten eine Selbstverständlichkeit, und den Alldeutschen und Völkischen ging es darum, daß Deutschland in diesem Krieg, für den nur der Zeitpunkt für sie mit einem Fragezeichen versehen war, siegreich bestehen konnte. Siegreiche Kriege waren zu dieser Zeit - und so geschah es ja dann auch 1918 zuungunsten Deutschlands und Österreichs - fast stets mit Grenzverschiebungen verbunden. Ähnliche Auffassungen, Planungen und nationale Organisationen gab es auch in allen Nachbarstaaten. Deutsche Schulvereine waren manchmal nur die Antwort auf nationale Bestrebungen der Tschechen [27] , Slowenen, Italiener und anderer Nachbarvölker, die oft recht militante Vereine gegründet hatten, um ihrerseits die nationale Gleichberechtigung zu erringen und in Verwaltung und Schule den Gebrauch der deutschen Sprache zurückzudrängen, die deshalb besonders im Habsburgerreich im Rückweichen war, so daß es bereits vor 1914 nicht zu übersehende politische Bestrebungen der Deutschösterreicher [28] gab, sich wieder mit dem Deutschen Reich zu vereinigen. Ein hochangesehener Mann wie Hasse war politisch ein Nationalliberaler und fachlich ein überdurchschnittlicher Gelehrter, aber deswegen noch kein Antisemit.

Wenn wir der Denkart von Personen wie Koerner näherkommen wollen und damit der engeren Vorgeschichte des Jahres 1933, müssen wir nach den Wurzeln des Antisemitismus forschen. Jede Bevölkerung, die ihre eigene Existenz bewahren und sich nicht selbst auflösen will, schützt sich auf irgendeine Weise gegen eine Überzahl von fremden Zuwanderern. In allen Kulturen waren Juden irgendwann einmal fremde Zuwanderer, die wegen ihrer einzigartigen Religion wenig Neigung zeigten, in der einheimischen Bevölkerung aufzugehen. Besondere Regeln für Juden und den Umgang mit ihnen gab es deshalb bei allen Völkern und Kulturen, und Antisemitismus ist kein Problem, das von Deutschen erdacht worden ist. Dennoch müssen wir uns der Tatsache stellen, daß es in Mitteleuropa bis 1942 zu einer in dieser Dimension beispiellosen Radikalisierung des Antisemitismus gekommen ist. Wie kam es im Vorfeld dieser Ereignisse zum „arischen Abstammungsnachweis“?

Diese Frage stellten sich natürlich auch kritische Zeitgenossen. Hohlfeld (1888-1950) meinte [29] : „Der Nachweis der arischen Abstammung, der heute in Deutschland als Voraussetzug fast jeder wesentlichen beruflichen Betätigung, als Grundlage der Zugehörigkeit zu Volk und Staat, Heer und Partei gefordert wird, gilt mit Unrecht als eine revolutionäre Neuerung. In Wahrheit ist er die Wiederaufnahme eines Brauches, der urkundlich bis ins frühe Mittelalter verfolgbar ist. ... Die Voraussetzung des Königsamtes im Mittelalter war die Abstammung von edelfreien, dynastischen Geschlechtern, Bedingung für die Zugehörigkeit zum Ritterstand der Nachweis der Herkunft von vier ritterbürtigen Ahnen und unerläßliche condition sine qua non des Eintritts in Bürgertum und Handwerk der urkundliche Beweis deutschblütiger und ehelicher Abstammung. An diesen Anschauuungen wurde nicht nur bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts festgehalten, vielmehr wurde die Zahl der nachzuweisenden Ahnen ... von 4 auf und 16 erweitert und mit Strenge durch besondere Gremien überprüft und nur auf Grund von ‘Aufschwörungen’ einwandfreier Zeugen zugelassen. Die Gemeinschaft, die sich in solcher Weise gegen das Eindringen fremdblütiger oder sozial unerwünschter Elemente schütze, war der Stand.“ Es ist dabei  richtig, daß bis in die Frühe Neuzeit für die Aufnahme in eine Zunft  und damit auch für den Erwerb des Bürgerrechtes von stadtfremden Bewerbern eine „Geburtsbrief“ verlangt wurde, indem die eheliche Geburt bescheinigt wurde und daß der Bewerber nicht „unehrlicher oder wendischer“ Herkunft sei. Im Osten Deutschlands wurden damit Slawen ausgeschlossen, Juden waren es sowieso. Aber den Ursprung des „arischen“ Ahnenpasses auf diese Weise einfach ins Mittelalter zurückzuverlegen, verharmlost die Sache doch zu sehr. Warum nach dem Aufbrechen der Ständegesellschaft dieser Rückfall ins Mittelalter?

Für bürgerliche Liberale, die den Menschen an seiner eigenen Leistung und nicht an dem Stand, in dem er geboren worden war, gemessen sehen wollten, war die Lage der Juden um 1800 ein unerträglicher Mißstand, den es zu beseitigen galt und der Schritt für Schritt beseitigt wurde. Diese Judenemanzipation hatte Folgen: Die jüdischen Familien, die ihre bescheidene Existenz  jahrhundertelang oft nur mit einem überdurchschnittliches Maß an Einsatz und Geschäftstüchtigkeit sichern konnten, hatten Kinder, die häufig sehr intelligent waren und die nun an die höheren Bildungseinrichtungen drängten und damit auch in bestimmte große Städte [30] . Das Wanderungsziel war oft Wien oder Berlin, wo allein ein Drittel aller Juden des Deutschen Reiches lebte. In Berlin stieg in dem halben Jahrhundert von 1850 bis 1900 die Gesamtzahl die jüdische Bevölkerung von 9 600 Personen auf 106 000, in Wien von 2 000 auf 147 000 (und 175 000 im Jahre 1910). Unter den hochindustrialisierten Ländern Europas hatten Deutschland und Österreich bei weitem die meisten Juden. Schon 1879 schrieb v. Treitschke (1834-1896) [31] : „Die Zahl der Juden in Westeuropa ist so gering, daß sie einen fühlbaren Einfluß auf die nationale Gesittung nicht ausüber können; über unsere Ostgrenze dríngt aber Jahr für Jahr aus der unerschöpflichen polnischen Wiege eine Schar strebsamer hosenverkaufender Jünglinge herein, deren Kinder und Kindeskinder dereinst Deutschlands Börsen und Zeitungen beherrschen sollen; die Einwanderung wächst zusehends, und immer ernster wird die Frage, wie wir dieses fremde Volkstum mit dem unseren verschmelzen können.“

Viele Juden kamen aus Galizien und den angrenzenden russischen Provinzen und wichen der wachsenden, sich bis zu Pogromen [32] steigernden, antijüdischen Stimmung dort aus. Demzufolge waren viele Juden in Deutschland im staatsrechtlichen Sinne Ausländer (in Leipzig sogar fast drei Viertel). Während der Anteil der Juden im Reich etwa 1% betrug, waren unmittelbar vor 1933 in Berlin 4,3% der Bevölkerung Juden (im Stadtteil Charlottenburg 17%; in Wien 9%) und insgesamt etwa 10% aller Ärzte und 16% der Rechtsanwälte (in Berlin die Hälfte); bei Banken betrug der Anteil jüdischer Firmen 45%.

Rußland hatte 1887 den Prozentanteil der jüdischen Gymnasiasten auf 10% beschränkt, was für bildungsbestrebte Juden ein weiterer Grund zur Auswanderung war. In Berlin hingegen besuchten bereits 1890 25% der jüdischen Kinder eine höhere Schule, demzufolge die Prima der Berliner Gymnasien zu einem Drittel aus Juden bestand. Schon 1885 war jeder achte Student in Berlin ein Jude. 1905/06 waren 25% aller Jura- und Medizinstudenten an deutschen Universitäten Juden, in Wien schon 1884 beinahe die Hälfte. 1929 war das Durchschnittseinkommen der Berliner Juden etwa doppelt so hoch wie das der anderen Stadtbewohner. „Wie die Sonne geht Israel über Europa, wo es hinkommt, sprießt neues Leben empor, und wo es wegzieht, da modert alles, was bisher geblüht hatte,“ [33] meinte Sombart 1911. Der Historiker Hans Rosenberg [34] kommt hingegen zu dem Schluß: „Der moderne Antisemitismus Mitteleuropas ist aus spezifischen historischen Umständen erwachsen, die zu den Nebenprodukten oder Begleiterscheinungen der Industriellen Revolution gehören. Seinem Urspung nach war er eine relativ spät einsetzende, heterogene Widerstandsbewegung, die sich gegen die einflußreiche, als übermächtig, oft als Fremdherrschaft empfundene wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Stellung richtete welche sich ein sehr erheblicher Teil der jüdischen Minoriätengruppe ... seit der gesetzlichen Sanktionierung der formalen Gleichberechtigung ... hatte erringen können.“

Zwar wuchs um 1900 der akademische Stellenmarkt stetig, aber das Angebot an Bewerbern war in der Regel größer als die Nachfrage. Mancher, der persönlich Schwierigkeiten hatte, eine Anstellung zu finden oder sich als Freiberuflicher oder Gewerbetreibender zu behaupten, sah eine Ursache dafür in der jüdischen Konkurrenz. In Wien beschloß 1878 die Burschenschaft Libertas eine Statutenänderung, aufgrund deren nur noch Deutsche als Mitglieder aufgenommen werden konnten. Juden, auch wenn sie getauft waren, galten nicht als Deutsche. 1880 wurden in Prag die Juden aus der Studentenvereinigung Deutsche Hochschule ausgeschlossen. Die Wiener Burschenschaft Silesia rühmte sich bereits 1883; die erste „arische“ Verbindung zu sein, in Graz war es die Stiria. - Der erste Wiener Turnverein nahm am 3.4.1887 folgende Bestimmung in seine Satzung auf: „Angehörige des Vereins können nur Deutsche (arischer Abkunft) sein.“

„Wie überhaupt in Deutschland, ist auch in der deutschen Studentenschaft der völkische Gedanke aus der antisemitischen Bewegung herausgewachsen. Es war in der Zeit nach dem Kriege 1870/71. Durch die Gründerzeit waren Gewalten hochgekommen, die man früher noch nicht gekannt hatte: Presse und Börse. Ihre Träger aber, die ihre Macht immer deutlicher fühlen ließen, waren die Juden. Es war klar, daß sich bald Gegenströmungen zeigen mußten. ... Aus dieser antisemitischen Bewegung heraus, die noch keineswegs völkisch, wie wir es heute auffassen, entstanden die Vereine Deutscher Studenten. ... Die Korps hatten die Judenfrage schon für sich nach 1880 gelöst (d.h. sie nahmen keine ungetauften Juden mehr auf), die Landsmannschaften folgten ihnen im Jahre 1894 und schlossen grundsätzlich alle Juden aus. Länger dauerte der Kampf zwischen Antisemiten und Philosemiten in der Burschenschaft. ... Im Wintersemester 1893/94 faßte dann ein außerordentlicher Burschentag zu Berlin den Entschluß, von da an im Mitgliederverzeichnis das Glaubensbekenntnis hinzuzufügen. ... Ein Semester später erschien die Burschenschaft judenrein (dem Glauben, nicht der Rasse nach). Selbstverständlich kann hier von einem Erfassen des völkischen Grundsatzes noch keine Rede sein.  Mag man als Gründe für diese Schritte annehmen, was man will, es war unter keinen Umständen die Erfassung der Rassengesetze, die zu diesem antisemitischen Vorgehen antrieb. ... Denn alle diese Kämpfe drehten sich ausschließlich um die Religion, während die Rassefragen erst in einer späteren Zeit als grundlegend wichtig anerkannt wurde. Viel weiter geht schon der Beschluß, der am 11. März 1896 in einer öffentlichen Studentenversammlung in Wien gefaßt wurde: ‘In vollster Würdigung der Tatsachen, daß zwischen Ariern und Juden eine tiefer moralischer und physischer Unterschied besteht ... faßt die heutige Versammlung deutscher wehrhafter Studentenverbindungen den Beschluß: Dem Juden auf keine Waffe mehr Genugtuung zu geben.’ Ueber 24 Jahre hat es gedauert, bis auch die Reichsdeutschen so weit waren, daß auch sie sich auf diesen Standpunkt stellten.“ [35]

Bereits 1902 konnte Ernst Böhme vom „Kyffhäuserverband“ feststellen: „Die gesellschaftliche Isolierung des jüdischen Studenten ist heute in der Hauptsache vollzogen. Die gesamten angesehenen Kouleurverbände, Korps, Burschenschaften, Landsmannschaften und farbentragenden Turnerschaften, sowie die Hauptmasse der schwarzen Verbände, die akademischen Turnvereine, Gesangvereine und wissenschaftlichen Vereine schließen heute die Juden von der Mitgliedschaft aus.“ [36]

Eindrucksvoll belegt eine Fallstudie [37] , wie etwa ab 1911 die Juden Schritt für Schritt aus der kulturkritischen deutschen Jugendbewegung dieser Zeit, den Wandervögeln, hinausgedrängt werden. Im Gegensatz zu den österreichischen und böhmischen Wandervögeln kannte die Satzung des Wandervogels e. V. zu dieser Zeit noch keinen „Arierparagraphen“. Radikale Antisemiten wie Theodor Fritsch (1852-1933; Leipzig), Führer des „Reichshammerbundes“, und der schon zitierte Philipp Stauff knüpften Kontakte zu einflußreichen Mitgliedern der Jugendbewegung. Im Oktober 1913 erschien dann die antisemitische „Judennummer“ 11 der „Wandervogelführerzeitung“, herausgegeben von Friedrich Wilhelm Fulda (Jena) im Verlag Erich Matthes (Leipzig). - Wer heute das Sächsische Hauptstaatsarchiv in Dresden aufsucht (oder es in den letzten Jahrzehnten aufsuchte) wird dort im Benutzervorraum eine sehr gelungene, kunstvoll gestaltete Wandkarte finden über Standorte der Eisengewinnung und -verarbeitung im Erzgebirge in der frühen Neuzeit. Die wenigsten dürften wissen, daß der als seriöser Heimat- und Familiengeschichtsforscher bekannte und geschätzte Erich Matthes [38] , der seinen Lebensabend unbehelligt als bescheidener Rentner in der DDR verbrachte, als junger Mann der Verleger [39] der einflußreichen Schriften von Willibald Hentschel (geb. 1858; in dessen Schriften „Varuna“ und „Mittgart“ der Menschenzuchtgedanke verbreitet wird), Ludwig Schemann [40] (1852-1938; dem Übersetzer von Gobineau), Artur Dinter (1876-1948; „Die Sünde wider das Blut“ mit Auflagen in die Hunderttausende) und anderen Schriften eines ausgeprägten Rasseantisemitismus [41] war.

Zwei bis drei Jahrzehnte vor dem Jahre 1933 hatte damit der Rassenantisemitismus in weiten Kreisen der akademischen Jugend Anklang gefunden. Um 1933 befand sich diese Generation in einem Alter, wo sie an vielen einflußreichen Stellen vertreten war. (Die nächste junge Generation war eher noch aktiver: Der Machtergreifung am 30.1.1933 ist der 21.7.1931 vorangegangen, der Tag, an dem auf dem Grazer Studentag der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund [42] die demokratische Mehrheit in der Deutschen Studentenschaft errang. [43] ) In dem Moment, wo der Religionsantisemitismus in den Rassenantisemitismus überging, reichte es nicht mehr aus, daß jemand getauft war oder nicht. Man brauchte das „Blutsbekenntnis“. Nun war aber die „jüdische Rasse“ insofern eine Fiktion, da es nicht und schon gar nicht mit Sicherheit möglich war und ist, Juden von Deutschen am äußeren Erscheinungsbild zu unterscheiden. Das merkten die Antisemiten natürlich auch, und es erschien ihnen ganz besonders gefährlich.  „Wir verlangen deswegen von jedem Studenten, ... daß er das Blutsbekenntnis ablegt, daß er auf Ehrenwort versichert, nach bestem Wissen und Gewissen arischer Abstammung zu sein. Genügt das aber, darf uns das genügen in einer Zeit, wo - leider - noch die wenigsten eine klare Vorstellung von der Geschichte ihrer Vorfahren haben? Frage sich jeder Leser einmal nur nach den Namen seiner 8 Urgroßeltern, kennt er sie überhaupt noch? Und wenn er schon ihre Namen aufzählen kann, was weiß er von der Herkunft seiner Vorfahren? So kann also jemand nach bestem Wissen versichern er sei arischer Herkunft, ohne es zu sein, wenn er sich nicht von vornherein darüber klar ist, daß für Rassenzugehörigkeit nicht allein die Vorfahren im Mannesstamm ... ausschlaggebend sind, sondern daß hierzu die Vorfahrenreihen in ihrer Gesamtheit gehören. Das heiß also, wollen wir zu einem einwandfreien Blutsbekenntnis kommen, so müssen wir die Familienforschung, insbesondere den Zweig, den wir als Ahnentafelforschung kennen ..., heranziehen. Und diese Familienforschung, deren Wert schon der 1. ordentliche Vertretertag der ‘Deutschen Wehrschaft’ dadurch erkannte, daß er sie jedem Aktiven zur Pflicht machte, sie soll uns eine heilige Pflicht sein, denn wir sind ein Verband von Akademikern, und jeder Akademiker bekennt sich zur Wissenschaft, deren Ziel es ist, die Erscheinungen letzten Endes .. auf ihre natürlichen Voraussetzungen zurcükzuführen. ... Es wäre falsch, in den verbreiteten Fehler zu verfallen, und etwa bei einem heute lebenden Menschen von seiner Religion auf seine völkische Abstammung zu schließen. ... Denn wenn eine ganze Anzahl von Juden nicht nur deutsch spricht, sondern auch zur christlichen Religion übergetreten ist, so sind diese Leute noch lange nicht Deutsche geworden, sondern bleiben nach wie vor Gäste unseres Volkes, die um so vorsichtiger zu behandeln sind, weil sie falsche Visitenkarten abgeben. Hierbei sollte man sich immer folgender famoser Parallele erinnern, die ... vor Jahren im ‘Simplizissimus’ stand: ‘Neger dürfen bekanntlich in Amerika nicht erster Kajüte fahren. Eines Tages kommt aber ein Neger an die Dampferkasse und verlangt eine Karte erster Kajüte. Als ihn der Schalterbeamte auf die Bestimmungen aufmerksam macht, erwiderte er: Ich bin gestern aus der schwarzen Rasse ausgetreten.’ Ueber einen Neger ... lachen wir; Juden aber, die eine gleiche Manipulation glauben vornehmen zu können, werden hierin von einem großen Teil unserer Volksgenossen noch unterstützt. Die deutsche Sprache und das christliche Bekenntnis machen noch keinen Deutschen aus und wenn jemand glaubt, durch diese beiden Eigenschaften seinen Fremdrassigkeit verdecken zu können, so forschen wir eben in seiner Familie nach. .... Juden-, Türken- und Negertaufen sind zum Glück vor dem 19. Jahrhundert so große Seltenheiten, daß sie für die Gesamtheit unseres Volkes noch nicht gefährlich wurden. .... Jedes neue Mitglied einer Wehrschaft verpflichtet sich ... bis zur Burschung durch Aufstellung einer beglaubigten Ahnentafel den Nachweis zu erbringen, daß seine sämtlichen Ahnen bis zum Jahre 1800 rückwärts frei von nichtarischem Blute sind.“ Da hätten wir ihn also schon, den beglaubigten „arischen“ Ahnenpaß, gefordert im Jahre 1920.

Fortsetzung von Teil I

Die Sehnsucht nach der bäuerlichen Heimat


[1] Reichsgesetzblatt I, Nr. 34, S. 175-177, § 3 (1) Beamte, die nicht arischer Abstammung sind, sind in den Ruhestand zu versetzen.

[2] Vgl. dazu: Weiss, Volkmar: Johannes Hohlfeld, von 1924 bis 1950 Geschäftsführer der Zentralstelle für Deutsche Personen- und Familiengeschichte in Leipzig, zum 50. Todestag. Genealogie 49. Jg. (2000) 65-83. -Nachdruck: Genealogie, Sonderheft (2000/2001) 1-19.

[3] Baumecker, Otto: Handbuch des gesamten Reichserbhofgesetzes. Köln 1934.

[4] Zusammenfassend dazu: Stuckart, Wilhelm und Rolf Schiedermair: Rassen- und Erbpflege in der Gesetzgebung des Reiches. Leipzig: W. Kohlhammer 1938 (= Neugestaltung von Recht und Wirtschaft 5,2).

[5] Ribbe, Wolfgang: Genealogie und Zeitgeschichte. Studien zur Institutionalisierung der national-sozialistischen Arierpolitik. Herold-Jahrbuch, N.F. 3 (1998) 73-108.

[6] Koppensteiner, Rudolf: Die Ahnentafel des Führers. Leipzig: Zentralstelle für Deutsche Personen- und Familiengeschichte 1937 (= Ahnentafeln berühmter Deutscher 3. Folge).

[7] Himmler besuchte am 17.2.1938 die Reichsstelle für Sippenforschung.

[8] Heinich, Werner Lothar: Richard Walther Darré und der Hegehofgedanke. Diss., Mainz 1980. - Corni, Gustavo und Horst Gies: ‘Blut und Boden’, Rassenideologie und Agrarpolitik im Staate Hitlers. Idstein: Schulz-Kirchner-Verlag 1994 (= Historisches Seminar, NF 5). - D’Onofrio, Andrea: Ruralismo e storia nel Terzo Reich. Il caso „Odal“. Neapel: Liguori 1997. -

[9] Ackermann, Josef: Heinrich Himmler als Ideologe. Göttingen: Musterschmidt 1970.

[10] Becker, Peter Emil: Wege ins Dritte Reich. Bd. 2: Sozialdarwinismus, Rassismus, Antisemitismus und völkischer Gedanke. Stuttgart: Thieme 1990.

[11] vom Brocke, Bernhard: Bevölkerungswissenschaft - Quo vadis? Möglichkeiten und Probleme einer Geschichte der Bevölkerungswissenschaft in Deutschland. Mit einer systematischen Bibliographie. Opladen: Leske und Budrich 1990.

[12] Puschner, Uwe, Schmitz, Walter und Justus H. Ulbricht (Hrsg.): Handbuch zur „Völkischen Bewegung“ 1871 - 1918. München: K. G. Saur 1996.  - Puschner, Uwe: Die Völkische Bewegung im wilhelminischen Deutschland. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2001. - Gerstenhauer, Max Robert: Der völkische Gedanke in Vergangenheit und Zukunft. Aus der Geschichte der völkischen Bewegung. Leipzig: Armanen-Verlag 1933. - Müller, Josef: Die Entwicklung des Rassenantisemitismus in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts (Dargestellt hauptsächlich auf der Grundlage der „Antisemitischen Correspondenz“). Berlin: E. Ebering 1940 (= Historische Studien 372).  - Goldhagen, Erich: Weltanschauung und Endlösung. Zum Antisemitismus der nationalsozialistischen Führungsschicht. Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 24 (1976) 379-405. - Das weiterführende Standardwerk für biographische Daten und bibliographische Details für zahlreiche hier in unserem Beitrag erwähnte Personen und ihr Umfeld ist: Mohler, Armin: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918 - 1932. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1989.

[13] Leuschner, B.: Familien=Genealogie. Ein Buch für Familien=Geschichte und für die Erziehung der folgenden Generationen. Paderborn: F. Schöningh 1897.

[14] Ein anderer Verfasser eines frühen populären Einführungsbuches in die Genealogie, aber noch mit dem Schwerpunkt aus der Sichts des Adels, ist: Lütgendorf-Leinburg, Willibald Leo Freiherr von (1887-1937): Familiengeschichte, Stammbaum und Ahnenprobe. Kurzgefaßte Anleitung für Familiengeschichtsforscher. Fraknkfurt/Main: H. Keller  1890, 2. vermehrte Auflage 1910. - Sein Buch „Die Geigen- und Lautenmacher vom Mittelalter bis zur Gegenwart“, das von 1904 bis 1922 in sechs, immer wieder verbesserten, Auflagen erschien, gilt als Pionierleistung in der lexikalischen Literatur zum Geigenbau. Er wurde später Mitglied der NSDAP. Vgl: Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck. Bd. 11. Neumünster: Wachholtz 2000, S. 236-241.

[15] Koerner, Bernhard: Denkschrift über die Entwicklung des „Deutschen Rolands“, Vereins für die deutsch=völkische Sippenkunde zu Berlin, e.V., innerhalb der letzten drei Jahre. Berlin 1927.

[16]   Koerner, Bernhard: Genealogisches Handbuch Bürgerlicher Familien. Neunter Band. Berlin: Berlin: W. T. Bruer 1902. - Koerner blieb bis zum XX. Band 1944  Herausgeber.

[17] Wackwitz, Günter: Das Werk Guido von Lists und Jörg Lanz’ von Liebenfels und der deutsche Faschismus. In: Hartung, Günter und Hubert Orlowski (Hrsg.): Traditionen und Traditionssuche des deutschen Faschismus.  Wissenschaftliche Beiträge 1987/30. Halle/Saale 1987, S. 138-148. - Goodrich-Clarke, Nicholas: Die okkulten Wurzel des Nationalsozialismus. Graz: Stocker 1997.

[18] List, Guido: Die Armanenschaft der Ario=Germanen. Zweiter Teil. Wien: Verlag der Guido=von=List=Gesellschaft (In Kommission bei E. F. Steinacker in Leipzig) 1911 (= Guido-List-Bücherei 1. Reihe, Forschungsergebnisse Nr. 2 A.).

[19] Ueltzen-Barckhausen, Johann: Tagebuch  - artige Niederschriften vor und aus der Zeit der Begründung der „Zentralstelle für Deutsche Personen- und Familiengeschichte“. Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, DZfG, Sammlung alte Zentralstelle, Mappe 17.

[20] Nicht zu verwechseln mit seinem Bruder Alexander Tille.

[21] Kolditz, Gerald: Rolle und Wirksamkeit des Alldeutschen Verbandes in Dresden zwischen 1805 und 1918: ein Beitrag zum bürgerlichen Vereinsleben der nationalistischen Kräfte in der wilhelminischen Arä des deutschen Kaiserreiches. Diss., TU Dreden 1994.

[22] Seit 1875 Leiter  des Statistischen Amts der Stadt Leipzig, seit 1886 Professor für Statistik mit Lehrstuhl an der Universität Leipzig und 1893 - 1903 Reichstagsabgeordneter der Nationalliberalen. - Hasse, Ernst: Deutsche Politik. München: J. F. Lehmanns Verlag 1907.

[23] Chickering, Roger: We men who feel most German: a cultural study of the Pan-German League 1886-1914. London: George Allen and Unwin 1984.

[24] Wittenberg: A. Ziemsen 1912,  S. 152f.

[25] Stauff ist vor allem als Verfasser des „Semi-Kürschner“ bekannt: Stauff, Philipp: Semi=Kürschner oder Literarisches Lexikon der Schriftsteller, Dichter, Bankiers, Geldleute, Schauspieler, Künstler, Musiker, Offiziere, Rechtsanwälte, Revolutionäre, Frauenrechtlerinnen, Sozialdemokraten usw., jüdischer Rasse und Versippung, die von 1813 -1913 in Deutschland tätig oder bekannt waren. Berlin - Groß Lichterfelde: Stauff 1913. - Stauff und Koerner gehörten beide der Guido-von-List-Gesellschaft an, die Stauff ab 1912 leitete.

[26] Weimarer historisch-genealogisches Taschenbuch des gesamten Adels jehudäischen Ursprunges. Weimar: Kyffhäuser-Verlag 1912.  Erster Jahrgang. S. XXII.

[27] Türk, Karl: Böhmen, Mähren und Schlesien. München: J. F. Lehmann 1898, S. 16: „ Darauf gehen ja schließlich die Fortschritte der Tschechen hinaus, daß man dadurch die Deutschen entbehrlich mache und sie ... , nachdem Böhmen den Tschechen gehöre ... zum Lande hinauswerfe oder sie zwinge im Tschechentum aufzugehen.“

[28] Whiteside, Andrew G.: Georg Ritter von Schönerer: Alldeutschland und sein Prophet. Graz: Styria 1981.

[29] Hohlfeld, Johannes: Von der Genealogie zur Sippenkunde. Ein geistesgeschichtlicher Wandel in Deutschland. Familiengeschichtliche Blätter 42 (1944) 1-8.

[30] Richarz, Monika: Jewish social mobility in Germany during the time of emancipation (1790-1871). Publications of the Leo Baeck Institute, Yearbook 20 (1975) 69-77.

[31] von Treitschke, Heinrich: Unsere Aussichten. Preußische Jahrbücher 44 (1879) 553-575, hier S. 572. 

[32] Löwe,Heinz-Dietrich: Antisemitismus in der ausgehenden Zarenzeit. In: Martin, Bernd und Ernst Schulin (Hrsg.): Die Juden als Minderheit in der Geschichte. München: Deutscher Taschenbuch-Verlag 1981, S. 184-208.  

[33] Zitiert nach: Sombart, Werner: Die Juden und das Wirtschaftsleben. Leipzig: Duncker und Humblot 1911, hier S. 15. - Ausführlichere statistische Daten und Betrachtungen dazu in: Weiss, Volkmar: Die IQ-Falle: Intelligenz, Sozialstruktur und Politik. Graz: Stocker 2000, darin: Die Juden, S. 174-187.

[34] Rosenberg, Hans: Große Depression und Bismarckzeit. Wirtschaftsablauf, Gesellschaft und Politik in Mitteuropa. Berlin: W. der Gruyter 1967 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin beim Friedrich Meinecke Institut der Freien Universität Berlin 24), hier S. 93.

[35] Deicke, H. R.: Der völkische Gedanke in der deutschen Studentenschaft. Der Wehrschafter 1 (1920) 3-4. -Vgl. auch: von Petersdorff, Herman: Die Vereine Deutscher Studenten. Zwölf Jahre akademischer Kämpfe. 3 Auflage. Leipzig: Breitkopf und Härtel 1900.

[36] Zitiert nach: Kampe, Norbert: Studenten und „Judenfrage“ im Deutschen Kaiserreich: Die Entstehung einer akademischen Trägerschicht des Antisemitismus. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 1988 (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 76), S. 205.

[37] Winnecken, Andreas: Ein Fall von Antisemitismus. Geschichte und Pathogenese der deutschen Jugendbewegung vor dem Ersten Weltkrieg. Köln: Verlag Wissenschaft und Politik 1991 (= Edition Archiv der deutschen Jugendbewegung 7). - Ich danke Herrn Dr. Winfried Mogge, Archivleiter des Archivs der deutschen Jugendbewegung auf Burg Ludwigstein, für Rat und Tat.

[38] Sein heimatgeschichtlich wertvoller Nachlaß befindet sich im Kreismuseum auf Schloß Schwarzenberg im Erzgebirge, interessante Schriftstücke zu seiner Person auch im Archiv der deutschen Jugendbewegung auf der Burg Ludwigstein, Witzenhausen.

[39] Ulbricht, Justus, H.: Das völkische Verlagswesen im deutschen Kaiserreich. In: Puschner, Handbuch, S. 277-301, vgl. Fußnote 10.

[40] Schemann, Ludwig. Die Rassenfrage im Schrifttum der Neuzeit, München: J. F.Lehmann 1931.

[41] Kiefers, Annegret: Das Problem einer „jüdischen Rasse“. Eine Diskussion zwischen Wissenschaft und Ideologie (1870-1930). Frankfurt/Main: P. Lang 1991.

[42] Faust, Anselm: Der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund. Studenten und Nationalsozialismus in der Weimarer Republik. Düsseldorf: Pädagogischer Verlag Schwann 1973.

[43] Kater, Michael H.: Studentenschaft und Rechtsradikalismus in Deutschland 1918-1933. Eine sozialgeschichtliche Studie zur Bildungskrise in der Weimarer Republik. Hamburg: Hoffmann und Campe 1975 (= Historische Perspektiven 1). - Für die akademische Jugend heute ist diese Situation weder verständlich noch nachvollziehbar. Sie ist deswegen schwer erklärbar. Der Verfasser (geb. 1944) und die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Geborenen sind in ihrem Leben kaum jemals Juden begegnet und wenn, dann waren es nette und fähige Kollegen. Schon wer über die soziale Lage der Juden vor 1933 mit sachlichen und richtigen Zahlen berichtet, läuft Gefahr, beschuldigt zu werden, „er wolle damit die Nationalsozialisten rechtfertigen“. Die sogenannte Fremdenfeindlichkeit wird von unkritischen Zeitgenossen als eine Art Naturphänomen betrachtet, für das es keine Entschuldigung, aber auch keine Ursache gibt. Darin offenbart sich ein grundlegender Unterschied in der politischen Situtation der Jahre 1932 und 2000: Der hochqualifizierten akademischen Jugend - und das ist nur vor allem die naturwissenschaftlich-technisch gebildete Jugend - steht gegenwärtig die Welt offen. Die Globalisierungsverlierer sind hingegen die Unterschichten, für die Einwanderer mögliche Konkurrenten sind. Während sich 1932/33 die NSDAP auch auf große Teile der akademischen Jugend stützen konnten, hat heute eine Rechtspartei wie die NPD ihr Klientel  eher in der sozialen Unterschicht.


Unmittelbare Fortsetzung dieses Textes,

Teil Ib: Die Sehnsucht nach der bäuerlichen Heimat

Teil II: Historische oder völkische Genealogie?
Teil III: Die Machtergreifung der Viehzüchter


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