Startseite

In den von Adler (1991) untersuchten Gemeinden Aach und Schönmünzach in Württemberg ergab sich folgendes Bild: „In Aach galt vom Ende des 17. Jahrhunderts bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, daß die Geburtenzahl mit der sozialen Schicht stieg.  Auch in Schönmünzach ließ sich für die Zeit vor der Mitte des 19. Jahrhunderts feststellen, daß die Wohlhabenden mehr Kinder als die weniger Begüterten hatten. ... Verursacht wurden diese sich stark unterscheidenden Geburtenzahlen wohl nicht zuletzt durch das unterschiedliche Heiratsalter, verehelichten sich doch die Oberschichttöchter wesentlich früher als jene der Unterschicht. Dadurch verlängerte sich ihre gebärfähige Phase innerhalb der Ehe, und zwar um jene Jahre, in denen die Fruchtbarkeit am höchsten war. ... Da der Zeitpunkt der Heirat aber bewußt gesteuert werden konnte, mußte bei der Oberschicht auch die Bereitschaft dagewesen sein, viele Kinder zu bekommen. ... Bei den ab 1880 geschlossenen Ehen verkehrte sich das während der vergangenen zwei Jahrhunderte in Aach festgestellte Verhaltensmuster, demzufolge die Kinderzahl mit dem sozialen Status einer Familie stieg, ins Gegenteil. Die Kinderzahlen der Oberschicht- und Bauernfamilien verringerten sich stark, während die Taglöhnerfamilien mit 7,8 Kindern pro vollendete Erst-Ehe so fruchtbar wie nie zuvor waren. ... Parallel dazu senkte sich das Heiratsalter der Aacher Unterschicht ab. ... Diese Geburtenfreudigkeit in der Unterschicht hielt freilich nur etwa zwei Jahrzehnte an. Danach glich sich deren Verhalten dem anderer Schichten an.“ Insbesondere in der Zeit der beginnenden und bewußten Geburteneinschränkungen um 1850, 1900 schränken in vielen Gegenden die Bauern und generell die soziale Oberschicht  - auch in den Städten - die Geburten früher ein als die Unterschicht. Dadurch werden - wie eben beispielhaft zitiert - soziale Unterschiede, wie sie oft jahrhundertelang bestanden, zeitweise in ihr Gegenteil verkehrt.



Startseite

Einen Gesamtüberblick über derartige Forschungsergebnisse gibt:

Weiss, Volkmar und Katja Münchow: Bestandsverzeichnis der Abt. Deutsche Zentralstelle für Genealogie im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig, Teil IV. Ortsfamilienbücher mit Standort Leipzig in Deutscher Bücherei und Deutscher Zentralstelle für Genealogie. 2., erweiterte und aktualisierte Auflage. Neustadt/Aisch: Degener 1998. 618 Seiten, ISBN 3-7686-2099-9. (= Genealogische Informationen 33).
Dieses Buch kann vom Verlag Degener, PF 1360, D-91413 Neustadt/Aisch bezogen werden.

Neben einer Bibliographie über 1850 Ortsfamilienbücher (S. 216-543) des gesamten deutschen Sprachraumes bzw. Mitteleuropas enthält das eine vollständige "Bibliographie der wissenschaftlichen Auswertungen von Ortsfamilienbüchern und familienweisen Kirchenbuchverkartungen" (S. 177-190).
Auf dieser Bibliographie baut eine kritische Übersicht von 103 Seiten auf unter dem Titel: "Bearbeitete Fragen und Methoden bei der wissenschaftlichen Auswertung von Ortsfamilienbüchern und ihren Vorstufen".

  1. Vorbemerkung S. 74
  2. Die Geschichte des Forschungsgebietes aus dem Blickwinkel des Zeitgeistes 75
  3. Die Pioniere (voller Text dieses Abschnitts) 76
  4. Der Anthropologe Walter Scheidt und seine Schule 84
  5. Medizinische Fragestellungen und Inzucht (voller Text) 93
  6. Der Arbeitskreis "Bäuerliche Lebensgemeinschaft" (voller Text) 97
  7. Die Innsbrucker Schule (voller Text) 104
  8. Die Vererbungsgewohnheiten 112
  9. Ökologische Dorfuntersuchungen 115
  10. Soziale Unterschiede und Kinderzahlen (voller Text) 117
  11. Wanderungen und Verstädterung 122
  12. Heiratsalter 126
  13. Die Französische Schule 128
  14. Soziale Mobilität 135
  15. Haushaltsstrukturen 140
  16. Familiensoziologische Untersuchungen 144
  17. Die Mikrohistoriker (u.a. Hans Medick und Jürgen Schlumbohm) 148
  18. Konfessionelle Unterschiede 156
  19. Die Soziobiologen (voller Text) 159
  20. Repräsentative Untersuchungen und Ausblick 163-176